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Harald
SP-Schnüffler Registriert seit: Mär 2001 Wohnort: Deutschland, 71069 Sindelfingen Verein: Beiträge: 786 Status: Offline |
Beitrag 7659953
, Spinlaunch
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Das US amerikanische Unternehmen SpinLaunch plant mit einer rotierenden Schleuder Satelliten, die sehr robust sein müssen, ins Weltall zu schießen. Doch ist dies überhaupt eine sinnvolle Idee?
Das Prinzip der rotierenden Schleuder wurde zuerst als Waffe verwendet und fand sogar Einzug in die Bibel in Form der Schleuder mit der David Goliath besiegte. Mit der Erfindung des Schießpulvers kam die rotierende Schleuder "aus der Mode", wohl weil man mit ihr schwer zielen kann, obwohl sie den Vorteil hat, dass man kein Pulver braucht, welches durch Feuchtigkeit unbrauchbar werden kann. In der Tat gab es zwar einige Versuche, wie man auf https://en.wikipedia.org/wiki/Centrifugal_gun lesen kann, mit modernen Mitteln eine schießende Zentrifuge zu bauen, doch war dies alles nicht sehr erfolgreich. Auch die für ihren Einfallsreichtum bekannten Ingenieure der Weimarer Republik und des 3. Reiches haben sich offenbar mit dieser Technik nicht beschäftigt. Warum gelang es nicht nach dem Prinzip der rotierenden Schleuder eine anwendungsreife Schusswaffe zu bauen? Ist das mit SpinLaunch überhaupt weiterzuverfolgen? Wie ist eigentlich die rechtliche Situation mit rotierenden Schleudern in Deutschland? Fallen die unter Waffengesetze? |
Cover1987
Raketenbauer Registriert seit: Jan 2022 Wohnort: Mannheim Verein: Solaris, TRA #27401 L1 Beiträge: 181 Status: Offline |
Beitrag 7659954
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Das Konzept von SpinLaunch und rotierenden Schleudern ist technisch faszinierend, aber mit vielen Herausforderungen verbunden. Eine differenzierte Betrachtung:
1. Technische Machbarkeit und Grenzen SpinLaunch verfolgt die Idee, Satelliten mit einer rotierenden Zentrifuge auf extreme Geschwindigkeiten zu beschleunigen (über 8000 km/h) und sie dann in eine suborbitale Bahn zu katapultieren. Die Trägerrakete übernimmt ab da den Rest bis in den Orbit. Herausforderungen: Extreme Belastungen: Nutzlasten müssen Beschleunigungen von über 10.000 g aushalten – das ist für herkömmliche Satellitenelektronik extrem fordernd. Nur sehr robuste, minimalistische Satelliten (z. B. CubeSats) kommen infrage. Atmosphärischer Widerstand: Ein Großteil der Startenergie geht durch Luftreibung verloren – das System kann daher nicht vollständig auf Raketen verzichten. Zielgenauigkeit: Die Zentrifugentechnik ist schwer zu kontrollieren – selbst kleinste Abweichungen beim Auswurf führen zu großen Streuungen. Mechanische Belastung des Systems: Die Kräfte auf die Schleuder selbst sind gewaltig – Materialermüdung und Verschleiß sind ein Dauerproblem. Fazit: Technisch ist es interessant, aber bisher nur für spezielle, sehr robuste und kleine Nutzlasten sinnvoll. Ob daraus ein kommerziell nutzbarer Zugang zum Orbit wird, ist offen. 2. Warum keine anwendungsreifen Waffen? Zentrifugalwaffen scheiterten historisch an mehreren Punkten: Zielgenauigkeit: Die Kugeln verlassen die Schleuder tangential, was präzises Zielen erschwert. Schussfrequenz und Nachladen: Bei modernen Feuerwaffen ist beides deutlich einfacher. Wartung und Verschleiß: Mechanische Schleudern benötigen präzise Lager und sind empfindlich. Geringe Durchschlagskraft: Die erreichbaren Geschwindigkeiten sind im Vergleich zu Pulverwaffen begrenzt. Ergebnis: Die Pulverwaffe war schlicht überlegen. Selbst moderne Hochgeschwindigkeits-Schleudern (z. B. Railguns oder Coilguns) setzen auf elektromagnetische Prinzipien und nicht auf mechanische Rotation. 3. Rechtliche Lage in Deutschland In Deutschland fallen „rotierende Schleudern“ nicht pauschal unter das Waffengesetz – es kommt auf den Verwendungszweck und die technische Ausführung an. Mögliche Einstufungen: Spielzeugschleudern / Sportgeräte: Frei verkäuflich, sofern keine Gefährdung vorliegt. Schleudern mit hoher Energie (z. B. Kugelschleudern): Können als „verbotene Waffen“ gelten, wenn sie z. B. kugelsichere Kleidung durchdringen könnten (§ 2 WaffG i. V. m. Anlage 2). Zentrifugen mit Projektil-Auswurf: Könnten als Abschussgeräte eingestuft werden – dann wären Genehmigungen, Kennzeichnung und Sicherheitsnachweise nötig. Für ein SpinLaunch-ähnliches Modell auf deutschem Boden müsste man außerdem das Luftfahrtrecht, Sprengstoffrecht (falls Zusatzraketen verwendet werden) und Umweltschutzrecht einbeziehen. Die rotierende Schleuder ist aus physikalischer Sicht spannend, aber in der Praxis voller Hürden – egal ob als Waffe oder als Startsystem. SpinLaunch ist ein experimenteller Sonderfall, der vielleicht in speziellen Nischen funktionieren könnte. Eine echte Raketenalternative wird es auf absehbare Zeit aber kaum. Gruß Stefan |
